Bedeutung der Zucht

Gewöhnlich betreiben Imker keine wirksame Selektion an ihren Bienen, oder, heute ganz im Trend, die Auslese wird gleich der „Natur“ überlassen. Ein Blick in die Imkergeschichte zeigt, welche Auswirkungen das haben kann und auch aktuell gibt es Beispiele, wie jahrelange Vermehrung mit Standbegattung unter ungünstigen Bedingungen zu Schwarm- und Stechteufeln führt.

Bienen sind Stechinsekten. Die Bedeutung der Zuchtauslese beruht auf dem Wunsch, in unserem dichtbesiedelten Land Honigbienen zu halten, die von der Bevölkerung akzeptiert werden und mit denen man gleichzeitig wirtschaftlich imkern kann. So ist die Bienenzucht in Deutschland schon lange sehr gut organisiert. In den Landesverbänden gibt es Züchter, die die Verbesserung der Zuchtpopulation betreiben und Zuchtmaterial abgeben (Edellarven, Königinnen usw.). Zur Zuchtstruktur gehören außerdem Belegstellen, auf denen jeder Imker Königinnen zur Begattung aufstellen kann. Züchter wie Belegstellen werden gewöhnlich vom Imkerlandesverband unterstützt, denn sie Schultern eine wichtige Aufgabe in der Bienenhaltung. Ein Fortschritt in der Zuchtpopulation wirkt mithilfe dieser Struktur positiv auf die Landbiene. Davon profitiert jeder Imker!

Besonders deutlich wird das beim Blick nach außen, Imkerkollegen in den europäischen Nachbarländern ohne Zuchtstruktur beneiden uns um die Qualität unserer Bienen!

Welche Zuchtziele waren prägend?

Im Hessen der 50er und 60er Jahre ist es den Züchtern und Belegstellenbetreuern zu verdanken, die völlig verbastardierte Landbiene durch die friedlichere und leistungsstärkere Carnica ersetzt zu haben. Ursprünglich ist diese Rasse im Raum Kärnten, Slowenien, Kroatien südöstlich der Alpen beheimatet. Durch die Abgabe von Larven und Königinnen auf der mütterlichen Seite und den Betrieb von Belegstellen und Reinzuchtgebieten konnte allmählich eine Verdrängung erreicht werden. Die brauchbaren Eigenschaften der neuen Rasse setzten sich Stück für Stück durch. In dieser Zeit konnte noch anhand einer Merkmalsprobe entschieden werden, ob die Anpaarung auf einer Belegstelle „rein“ war.

In der Folgezeit lag das Zuchtziel auf der Verbesserung von Wirtschaftlichkeit und Verhaltenseigenschaften. Hier wurde einiges erreicht, Sanftmut und Honigleistung konnten deutlich gesteigert, der Schwarmtrieb ebenso deutlich gedämpft werden.

Die Varroose hat die Zucht vor eine neue und gewaltige Herausforderung gestellt, Varroatoleranzzucht rückte in den Fokus. Weil die hessischen Züchter gegenüber dieser Entwicklung sehr aufgeschlossen waren, stellen sie heute mit der hessischen Regionalgruppe eine der aktivsten Gruppen in der AG Toleranzzucht (AGT) und tragen deutlich zum Zuchtfortschritt auf diesem Gebiet bei.

Das Bieneninstitut in Kirchhain ist ein großes Glück für die hessische Zucht, zumal ein Schwerpunkt auf der Zuchtarbeit liegt. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Institut und Züchtern besteht in der Erprobung und Weiterentwicklung der Methoden zur Verbesserung der Varroatoleranz. Das Bieneninstitut bietet auch alle Lehrgänge an, die ein angehender Züchter besuchen muss.

Was macht ein Züchter?

Ein typischer hessischer Züchter führt eine Imkerei mit mehr als 20 Völkern, von denen sich mindestens 12 in einer Leistungsprüfung befinden. In den Prüfvölkern befinden sich Geschwistergruppen von Königinnen mit gleicher Anpaarung. Wünschenswert sind auf einem Prüfstand immer unterschiedliche Abstammungen (mütterlicherseits), verschiedene Anpaarungen sowie Vergleichsköniginnen anderer Züchter.

In einer einjährigen Prüfung werden durch das Zuchtziel definierte Merkmale in einer festgelegten Weise bewertet. Die Honigernte wird beispielsweise den Trachtabschnitten Früh, Sommer, Spät zugeordnet, das Verhalten wird an 5 Terminen mit Punkten bewertet oder die Befallsentwicklung wird immer wieder durch Bienenproben bestimmt.

Im Ergebnis zeigt sich in den Wertungen eine Normalverteilung, es gibt wenige sehr gute, es gibt in der Masse durchschnittliche und es gibt wenige ganz schlechte Völker. Der Züchter wählt aus den als sehr gut bewerteten Völkern die Mütter der nächsten Generation. Unterstützung erhält er von der Zuchtwertschätzung, die vom LIB Hohen Neuendorf angeboten wird. Der Zuchtwert benennt den genetischen Wert einer Königin in einem Merkmal oder als Gesamtzuchtwert über alle Merkmale hinweg.

Mit Hilfe der Zuchtwerte sucht der Zücher für jede Zuchtmutter (2a) passende Anpaarungen (4a), er bringt die Töchter (1a) zur Besamung oder zur Begattung auf sichere Belegstellen. Aus den erfolgreich angepaarten Töchtern stellt er dann eine neue Prüfguppe zusammen.

Der Züchter als Bienenexperte

Wer für sich das Interesse an der Bienenzucht entdeckt, hat bereits einige Jahre in größerem Umfang geimkert. Im Zeitraum des Anerkennungsverfahrens, das sich über 3 Bienengenerationen hinzieht, wird er in Lehrgängen zur Königinnenzucht und Bienengenetik, zur Körung und Bienengesundheit geschult. So ist der Züchter immer ein Bienenexperte unter den Imkern.

Zur Zeit gibt es in Hessen 21 anerkannte Züchter und 3 Zuchtgemeinschaften unter mehr als 11.000 Imkern

Anspruch an die Zuchtpopulation und Bedeutung der hessischen Belegstellen heute

Forschung und Verbesserung der technischen Möglichkeiten haben vor der Bienenzucht nicht Halt gemacht. Beispielsweise macht beebreed.eu den Züchtern ein umfangreiches Angebot zur Genetik. Die anspruchsvollste Zuchtpopulation in diesem Sinne wird als AGT population von den hessischen Züchtern geführt, die in der Regionalgruppe der AGT aktiv sind. Deutlich wird das an den markant hohen Zuchtwerten ihrer besten Königinnen. Dieses Niveau kann nur über Besamung oder den Besuch sicherer Belegstellen wie beispielsweise die Nordseeinseln und die Einbindung der Zuchtwertschätzung in die Selektion erreicht werden.

Für die Imkerei in Hessen sind gut geführte Landbelegstellen sehr wichtig, über die der erzielte Zuchtfortschritt weitergegeben und die Qualität der Bienen allgemein verbessert werden kann. Im Land verteilte Belegstellen, die für jeden gut erreichbar sind, gewährleisten eine qualitativ hochwertige Anpaarung im Vergleich zur Standbegattung. Hier kann man beste Wirtschaftsköniginnen erzeugen! Bei der Vielfalt der gehaltenen Rassen wird es umso wichtiger, Imkern diese hochwertigen Paarungsmöglichkeiten zu bieten.